Während früher der Einleitungssatz Nr. 1 „…hiermit bewerbe ich mich…“ war, beginnt die Mehrzahl der Anschreiben, die wir heute erhalten mit: „Ihre Stellenanzeige hat mich angesprochen“. Als ich das einige Male gelesen hatte, dachte ich „logisch“, denn wenn dich die Anzeige nicht angesprochen hätte, dann hättest du dich ja auch nicht beworben.
Aber der Gedanke bringt uns direkt zum Kernthema: Denn was ist mit all den Menschen, die sich nicht beworben haben? Das Heer an A-Mitarbeitern, die wir mit unserer Stellenanzeige nicht angesprochen haben. Die sich dachten: Nö, das spricht mich nicht an, da bewerbe ich mich nicht.
Du sprichst den Bewerber als erstes über den Job-Titel an oder eben auch nicht. Der Job-Titel hat eine Aufmerksamkeitsspanne von maximal 3 Sekunden. Schaffst Du es nicht innerhalb eines Wimpernschlags, den Lesenden anzusprechen, verlierst Du den Bewerber. Deshalb schauen wir uns jetzt einmal an, wie Du allein mit dem Job-Titel mehr Bewerbungen erhältst.
Die Psychologin Prof. Dr. Bettina Hannover hat in einem Forschungsprojekt untersucht, inwiefern sich männliche und weibliche Job-Titel auf die Berufswahl von Kindern auswirken.
In diesem Projekt stellten die Lehrerinnen den Kindern zum einen die männliche Berufsvariante vor, in dem sie sagten: "Ingenieure sind Leute, die Autos erfinden und bauen." In der Vergleichsgruppe verwendeten sie die Formulierung: "Ingenieure und Ingenieurinnen sind Leute, die Autos erfinden und bauen."
Danach haben sie die Kinder gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, diesen Beruf einmal zu ergreifen und ob sie glauben, in einem solchen Beruf Erfolg zu haben. Das Ergebnis zeigte, dass die weibliche Form bei den Mädchen dafür sorgte, dass sie häufiger angaben, einen solchen Beruf ergreifen zu wollen und auch zuversichtlich waren, dass sie Erfolg haben werden.
Spannend bei dieser Untersuchung war, dass der Effekt sich immer nur auf Mädchen und Frauen auswirkt. Jungen und Männer fühlen sich laut Hannover von der weiblichen Form nämlich nicht abgeschreckt.
Was können wir daraus lernen?
Der Job-Titel ist das erste was Arbeitssuchende lesen. Und wie wir vom Philosophen Paul Watzlawick wissen, „Man kann nicht nicht kommunizieren“.
Mit dem Job-Titel kommunizieren wir (unbewusst) welche Person wir uns für den Job vorstellen. Ist der Titel männlich, suggeriert das dem Lesenden: Wir denken eher an männliche Person. Dadurch fühlt sich eine Frau, die das Stellenangebot liest, weniger angesprochen. Damit beeinflussen wir - bewusst oder unbewusst - wer sich bewirbt und schließen unbewusst 50% der Menschen aus, wenn wir die männliche Variante verwenden. AGG technisch ist das absolut korrekt, solange immer der Zusatz (m/w/d) an den Job-Titel angehängt wird. Ich habe ein Beispiel mitgebracht, von dem sich die Menschen die ideal zur Aufgabe passen, garantiert NICHT angesprochen fühlen.
Das Unternehmen sucht Fahrer, die Menschen mit Beeinträchtigungen von A nach B fahren. Es handelt sich um einen Teilzeitjob. Warum es an dieser Stelle außerdem schädlich ist, für diese Aufgabe innovative Menschen zu suchen, lassen wir jetzt mal außen vor, darüber schreibe ich in einem der nächsten Newsletter. Wir konzentrieren uns heute auf den Job-Titel.
Wer wird hier gesucht?
Ausbildung: Für die Aufgabe wird keine bestimmte Ausbildung benötigt. Das ist sehr gut, denn eine bestimmte Ausbildung schränkt die Zielgruppe logischerweise immer ein.
Personenkreis: Da es sich um einen Teilzeitjob handelt, ist er für Frauen extrem interessant. Denn Gleichberechtigung hin oder her: Die Bundeszentrale für politische Bildung hat 2020 veröffentlicht, dass der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Menschen zwischen 1985 und 2018 bei den Männern zwar von 1,4 auf 11,2 Prozent angestiegen ist, bei den Frauen aber mit der Steigerung von 28,9 auf 47,9 Prozent, ein neues Hoch erreicht hat.
45,8 Prozent der Frauen gaben - keine Überraschung - familiäre Verpflichtungen als Grund für die Teilzeitbeschäftigung an, bei den Männern waren es nur rund 10,3 Prozent.
Entgegengesetzt zur potenziellen Zielgruppe suggeriert der Job-Titel, der noch durch das Bild verstärkt wird: “Wir suchen junge Männer!“ Frauen, fühlen sich NICHT angesprochen.
Wie könnt Ihr jetzt konkret vorgehen?
Bezogen auf dieses Beispiel empfehle ich den Stellentitel Fahrerin (m/w/d) zu wählen.
Alternativen: Beide Varianten (in zwei getrennten Worten) Fahrerin / Fahrer (m/w/d) zu verwenden. Oder – in coveto möglich – eine Stelle als Fahrer (m/w/d) und eine als Fahrerin (m/w/d) auszuschreiben. Bitte auf keinen Fall männlich oder weiblich zusammenschreiben, damit geht der Effekt komplett verloren und am Ende fühlt sich niemand wirklich angesprochen.
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